
UTMB Grand Est - Ultra Trail des Paiens - Elsass
Eine Idee:
Die Idee entstand wohl in dem Moment, wie wir über die Autobahn im Elsass fuhren. Die Vogesen zogen an uns vorbei und darauf die markanten Burgen aus rotem Sandstein, allen voran die Haute Koenigsbourg. Es war November 2022, wir hatten gerade das Trailrennen "LaLandsberg" in Barr absolviert. Andi Lercher und Veronique, Edi, Ilse und ich. "Wie wäre es wohl, all diese Burgen in einem Rennen abzuklappern?" Wir lachten herzlich und in meinem Gehirn spross ein wilder Same, ohne dass ich es richtig zu bemerken schien.
Am 16.05.2025 stand ich dann am Start, besser gesagt, wir knieten alle am Boden, während vorne einer ins Mikrophon schrie. Wir warteten auf die Welle, da hörte ich gerade noch: "...if you reach the finish line, you all will be knights..." Musik, Getöse, die Welle brach über mich und meinen neuen Bekannten Frido herein, wir schalteten eilig das GPS-Tracking ein, die Sportuhren auf Ultra, der Lauf begann. Sieben Uhr morgens, herrlichen Sonnenschein im Rücken, trabend ging es zum Ort hinaus, in die Weinberge der Gegend.
Der Lauf:
An diesem schönen Tag, über 100 Kilometer durch die wunderbare Landschaft des Elsass laufen zu dürfen, war ein Geschenk. Ein Geschenk, welches sich mir noch nicht ganz erschließt. In meinem Kopf wirbeln viele Erinnerungen durcheinander, die ich erst sortieren und verarbeiten muss. Zu sagen, dass ich am Ende meiner Grenzen war, wäre übertrieben. Das Wetter war schön, die Landschaft nicht extrem, es gab viele Verpflegungsstellen, die Zivilisation war nie weit weg. Körperlich war ich gut vorbereitet. Die Ausdauer war da, ich schützte mich selbst vor Überbelastung, indem ich immer wieder langsam wurde, spürte was mir in bestimmten Momenten guttat.
Der Kopf:
Mental stand es nicht so gut um mich. Ich traute mir den Lauf nicht zu. So buchte ich lange keine Unterkunft, wartete zu, las die Emails des Veranstalters immer mit Verzögerung. Was ich erst bei meinem Trainer Egon und in meinem Kurs an der BSPA Innsbruck lernte war, dass man unbedingt sein Leben mit in die Ganzjahresplanung einbinden sollte. Sport kommt bei vielen von uns an dritter, oder vierter Stelle im Leben. Wir haben Familie, wir arbeiten, wir haben eine Gesundheit, die wir möglichst lange erhalten wollen.
Der Wunsch den Lauf abzubrechen war da. Immer wieder sah ich keinen Sinn in meinem Tun. Das war ein echter Klotz an meinen Beinen. Es auszusprechen war sehr wichtig für mich. Vor Timo musste ich deswegen keine Scham zeigen. Er lenkte mich auf die richtige Bahn, strich viele positive Dinge hervor, die er sah. Das brachte mich weiter. Wie ich an einer der letzten Kontrollpunkte geknickt vor ihm stand, das Handtuch werfen wollte, da meinte er lakonisch: "Vor dem Ziel gibt man nicht mehr auf. Es geht nur noch einmal in die Höhe und dann nur mehr hinunter."
Beide wussten wir, dass es so nicht ganz stimmte. "Lass dich ein wenig anlügen." Es hat geholfen. Nach dem Verlassen des Dorfes Klingenthal war mir klar, dass ich es schaffen würde.
Der Zieleinlauf:
Über der Stadt Obernai schlängelte sich das Läuferfeld durch das Gebüsch. Wanderwege ohne Ende, keine Lichter in Sicht, bis auf die Stirnlampen. Wir waren immer noch im Nirgendwo. 110 Kilometer in den Beinen, seit Stunden auf Weg. Sonnige Städtchen hatten wir durchlaufen, feiernde Menschen an der Strecke riefen uns Mut zu. Wir sind über Geröllhalden nach oben gekraxelt. Wir hatten die Stöcke in den Waldboden gerammt und uns zu Burgen und Klöstern hochgezogen.
Mit zitternden Händen kramten wir Getränkepulver aus den Taschen unserer Rucksäcke, füllten die Flaschen und leerten die Hälfte daneben. Die klebrigen Energiegels verklebten uns den Mund, die Sonne brannte in unsere Nacken.
WIR. Das war es wohl und hier fällt es mir ein. Wir Menschen erleben gemeinsam eine Situation, die wir zusammen gut über die Runden bringen wollen.
Von 1300 Starter*innen sind 1100 ins Ziel gekommen. Die schnellsten in etwas über 10 Stunden, die letzten in über 23 Stunden. Ein letzter Antritt an den Stadtmauern von Obernai, links und rechts jubelnde Menschen. In den Bäumen hingen Lampen, sommerliche Stimmung. Ich war durch, ich war durch, konnte es kaum fassen, aber war plötzlich leer. Klick. Es war vorbei. Ein Moment der Zeitlosigkeit erfasste mich. Der Lauf war vorbei, Timo kam auf mich zu und wir freuten uns über unsere Leistung.
Herzlichen Dank:
Meine Familie unterstützte mich sehr. Es ist leicht sich bei Läufen anzumelden, das Trainieren und die mentale Anstrengung des Trainings tragen aber alle in der Familie mit.
Egon Meier danke ich für den Trainingsplan und die Zeit, die er sich für mich nahm. Es war nicht leicht für ihn, meine unregelmäßigen Dienste und Termine zu erfassen und ein sinnvolles Training in diesen Dschungel zu flechten.
Timo Bereuter für das Coaching vor Ort. Er war immer zur Stelle, hat seine Zeit geopfert und mit seiner Menschlichkeit und seinem Gespür dafür gesorgt, dass ich immer wieder weiterkam. Diese Tage im Elsass werde ich nie vergessen.
Steffi Marte danke ich für den Fitnessplan und die Ernährungsberatung. Gerade in den schnellen, technischen Abwärtspassagen musste ich an die Einheiten im Fitnesscenter denken. Hier konnte ich viel Zeit gutmachen, weil meine Muskeln gut trainiert waren und nicht lockerließen.
Meinen Ausbildner*innen und Klassenkamerad*innen an der BSPA Innsbruck. Ich konnte sehr von eurem Wissen profitieren.
Danke an alle, die sich für mich und meinen Sport interessieren und mir immer wieder tatkräftig beistehen.
Links zum Lauf:
Der UTDP ist eine Veranstaltung der UTMB World Series. Er folgt auf über 100 Kilometern Länge den Wanderwegen und Straßen in den Vogesen. Neben dem UTDP sind noch andere Läufe möglich, von der 100 Meilen Kategorie abwärts bis zum 20 Kilometerlauf.
https://alsacegrandest.utmb.world/de/races/UTDP
https://www.branner-fitness.at/
https://www.chambres-au-coeur-d-alsace.fr/
Fotos zum Beitrag stammen von Liv, Frido, Timo und mir.