Freiburg Marathon 2022
Freiburg im Breisgau. Die Stadt mit den meisten Sonnenstunden im Jahr in Deutschland. Am 3. April war die Sonne auf Urlaub und der Thermometer ruhte sich bei 0 Grad aus. Von unserem Hotelzimmer aus konnte ich eine zarte Schicht Schnee ausmachen, der Himmel war grau, meine Stimmung machte mit. Natürlich war es absehbar gewesen. Der Wetterbericht hatte auf den Renntag nichts anderes vorausgesagt, aber auf Wunder darf man hoffen. Positiv war, dass es weder Niederschlag, noch viel Wind hatte.
Ilse und ich waren am Samstagabend alles durchgegangen. Von den Socken bis zu den Rundenzeiten. Mein erster richtiger Marathon. Ein Rennen mit voraussichtlich 1000 Teilnehmer*innen. Ein Lauf auf den ich mich gut vorbereitet hatte mit einem 12 Wochen Trainingsplan. Kilometer auf Kilometer war ich auf Weg gewesen. Lange Läufe über 35 km, Intervalle auf der Bahn, lockere und langsame Einheiten. Wettkämpfe über 10 km und Halbmarathon. Die gemeinsam verbrachte Zeit mit meinen Trainingspartnern Emil und Harry, die viel Interesse für meine Sache aufbrachten.
Das alles ging mir durch den Kopf, ich merkte wie ich mich unter Druck setzte. „Ich muss liefern!“, es war als ob ich ein Versprechen gegeben hätte. Mir selber, allen die mich unterstützten, mit denen ich über das Training und den Marathon geredet hatte. An diesem Punkt stellte ich mein Denken um: „Was nützt es mir über mögliche Schwierigkeiten nachzudenken? Gar nichts!“ Die Nervosität ließ sich nicht ganz abschalten, aber auf ein normales Maß korrigieren.
Am Sonntag wachte ich in aller Früh auf. Gut ausgeruht begann ich mich zu richten. Zu Fuß liefen wir zum Messegelände, wo der Start war. Ein, zwei Menschen mit den grünen Starterbeuteln auf den Rücken liefen vor uns. Es wurden immer mehr. Auf Fahrrädern, in den Straßenbahnen, je näher wir dem Startgelände kamen, desto mehr Läufer*innen tauchten auf. Eine Band probte bereits, die Stimmung stieg. Auf dem Feld vor den Startblöcken wärmte ich mich auf. Der Platz begann sich mit den unterschiedlichsten Läufer*innen zu füllen. Es war an der Zeit in die Blöcke zu gehen. Ilse nahm mir die Jacke ab, ich bedankte mich noch einmal bei ihr. Sie teilte ihr Geburtstagswochenende mit mir und dem Marathon. Selbstverständlich hätte ich einen anderen Marathon gewählt, wenn ihr dieser Termin nicht gepasst hätte, aber Freiburg gefällt uns beiden recht gut. Es passte so.
Der Start ging in Wellen ab. Bis wir aus Block B durch die Zeitnehmung laufen konnten, vergingen noch ein paar Minuten im Stand. Die Strecke führte uns nach rechts weg, es ging leicht bergab.
Jetzt hatte ich 42,2 Kilometer vor mir, ich begann mir einen freien Platz zu suchen. Erste Aufgabe war es, den Pacemaker mit der 3:15er Fahne zu finden und hinter mich zu bringen. Den wollte ich nicht mehr sehen, nicht meine Zeit. Es herrschte plötzlich Klarheit in meinem Kopf: „Dieses Rennen wird unter 3 Stunden und 9 Minuten gemacht! Punkt! Aus!“ Was ich änderte war meine Pacestrategie, ging es abwärts dann beschleunigte ich auf 4.15min/km. Aufwärts versuchte ich nicht über 4.30 kommen. Zwei Runden durch Parks und die Stadt laufen ist ein anders, als an der Ill entlang, oder auf dem Rheindamm.
Bereits im Training hatte ich mir Bilder im Kopf zurechtgelegt, Bilder die mir den Lauf leichter machen sollten. Die positiven Stimmen meiner Familie und Freund*innen, die mich nie zweifeln ließen, dass ich diesen Marathon schaffen werde. Positive Stimmen, die auch einmal kritisch sein konnten, aber nie eine Spur an Negativität beinhalteten. Jetzt, da ich diesen Text schreibe, denke ich daran. Während des Laufes brauchte ich diesen seelischen Notfallkasten nicht. Es lief einfach, ich setzte um, was ich trainiert hatte.
Die Motivation kam auch von außen, durch die vielen Zuschauer*innen aus Freiburg. So viele standen am Streckenrand. Die Bands machten Musik. Rufe erschallten von Balkonen, aus Cafés und von den Brückengeländern. Schilder wurden hochgehalten. „Alles was nicht kontrahiert, ist Fett!“ Mein Lieblingsspruch bei diesem Lauf. Unglaublich, wie die Menschen uns LäuferInnen anfeuerten. Mein Gradmesser über das richtige Tempo war nicht mehr nur die Sportuhr, sondern der Satz: „Schaut mal, der lacht noch!“ Ich wusste, solange ich das zu hören bekam, war alles gut. Ich hoffe ich habe etwas von der Stimmung zurückgeben können. Den Bands, die in der Kälte standen ein wenig applaudieren, mal einen Refrain mitsingen. Die ausgestreckten Kinderhände abklatschen, den Streckenposten und HelferInnen ein „Danke“ zurufen. Das gehörte für mich zum guten Ton.
Die letzten 10 Kilometer waren anstrengender, aber ich hatte ja genug Anlauf genommen. Ich suchte mir Läufer*innen, die vor mir lagen und begann zu überholen. Es mag ein wenig fies klingen, nur wurde ich nicht viel schneller. Vielmehr traf ich auf die Menschen, die leicht langsamer geworden waren. Was ich am Laufsport als großartig empfinde ist der Umgang untereinander. Jeder einzelne dieser Läufer*innen hatte einen Gruß, eine motivierende Geste übrig. Trotz der eigenen Anstrengung. Wir machen dasselbe und an einem anderen Tag könnte es umgekehrt sein. Laufen ist nicht nur eine Sportart, sondern eine Schule fürs Leben. Das mögen große Worte sein, nur habe ich das bisher so erfahren dürfen. In meinem Verein, im Training und auf der Strecke.
Ich beendete den Marathon in 3:06:16. Für mich eine unglaubliche Zeit. Ein kleines Abenteuer nahm ein großartiges Ende. Herzlichen Dank an alle, die mir dabei geholfen haben. Herzlichen Dank für euer Interesse an dieser Sache. Es sind diese kleinen Knoten, die wir untereinander knüpfen, die ein Netz entstehen lassen, an dem wir uns festhalten können. Jeder von euch war ein Stück mit dabei, als ich durch Freiburg gerannt bin. Ihr seid meine Bilder im Kopf gewesen. Ilse, die mich unterstützt und mich angefeuert hat. Harry und Emil, die wohl besten Mitläufer der Welt. Meine Vereinskolleg*innen vom LSV Feldkirch, die mir immer wieder wertvolle Ratschläge gaben und ihre persönlichen Erfahrungen teilten. Alle die sich gemerkt haben, dass ich einen Lauf plane und im Internet die Durchlaufzeiten angesehen hatten. Das ist für mich eine große Freude gewesen.
Mein Fazit. Ich schwebe immer noch auf Wolke Sieben, auch wenn ich echt müde bin. Ich freue mich auf meinen nächsten Lauf. Die Lust daran ist mir nicht vergangen, was mir sehr wichtig ist.
Einen Marathon läuft man nicht alleine. Die Familie trägt das mit, Freund*innen und Kolleg*innen helfen dabei. Der Kopf und der Körper müssen fit gehalten werden. Die Ausrüstung muss stimmen.
Auf viele weitere Läufe.